Unter Büchern

Unter Büchern

Donnerstag, 30. April 2015

Julie Otsuka: Wovon wir träumten

copyright: Cornelia Conrad
Ich bin überwältigt von diesem Buch. Es klingt. Es klingt wie ein a-capella-Chor.
Sie reisen mit großen Hoffnungen auf ein bessers Leben nach Amerika: junge Japanerinnen, die von ihren Müttern zuhause gefragt worden waren: "Möchtest du den Rest deines Lebens gebückt auf einem Feld verbringen?"
Sie ließen sich anwerben, Anfang des 20. Jahrhunderts, als Ehefrauen für japanische Männer, die schon in Amerika lebten.
In ihren Koffern haben sie "alles, was wir für unser neues Leben brauchten: weiße Seidenkomonos für die Hochzeitsnacht, bunte Baumwollkimonos für jeden Tag, Kalligraphiepinsel, geblümte Seidenschärpen..."
In ihren Köpfen haben sie die Ermahnungen ihrer Mütter: "Halte deine Teetasse mit beiden Händen, bleib aus der Sonne, sprich nie mehr, als du mußt".
Und in ihren Herzen haben sie große Hoffnungen: auf ein schönes Haus. Auf einen Garten voller Tulpen. Darauf, nie mehr auf einem Reisfeld arbeiten zu müssen.
Alles, alles vergeblich.

Donnerstag, 23. April 2015

Rachel Joyce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry



copyright: Cornelia Conrad
"Wer bin ich eigentlich", fragt sich Harold. Seine Frau "war so mit ihrem Sohn David beschäftigt, daß sie niemand anderen sah".

 Er selbst ist eigentlich nicht vorhanden. Er hat keine Freunde, er hat keine Sprache, er hat keine Aufgabe, seit er in Rente ist. Er lebt in einem Mausoleum. Seine Frau und er sind sich fremd geworden, sie putzt – mit Vorliebe das Zimmer ihres abwesenden Sohnes, auf den sie schon so lange wartet. Harold kratzt Unkraut von den Gehwegplatten.

Da bekommt er einen Brief. Von Queenie, einer ehemaligen Kollegin. Die er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Sie schreibt ihm, daß sie Krebs habe und daß sie sich verabschieden wolle. Der unbeholfene Harold schafft es schließlich, Queenie in dürren Worten zu antworten. Und macht sich auf den Weg zum nächsten Briefkasten. An dem geht er vorbei. Auch am nächsten und übernächsten. Als er schon beinahe aus der Stadt hinausgelaufen ist, bekommt er Hunger – und an einer Tankstelle serviert ihm das junge Ding dort nicht nur einen Burger, sondern auch eine Weisheit, die sein Leben auf den Kopf stellen wird: "Man muß daran glauben, daß ein Mensch wieder gesund werden kann. Unser Geist ist viel größer, als wir begreifen. Wenn wir fest an etwas glauben, können wir alles schaffen."


Donnerstag, 9. April 2015

Erri de Luca: Montedidio



copyright Cornelia Conrad
Dieses Buch ist ein Kleinod.Es leuchtet, wenn man es ganz langsam liest.

Aber man kann es gar nicht schnell lesen. Denn in beinahe jedem seiner sorgsamen, sparsamen Sätze stecken noch ganz andere Geschichten als die, die der Ich-Erzähler gerade erzählt.
Er ist 13 Jahre alt. Ein neapolitanischer Junge, der "auch im Winter Sandalen trägt". So schmuggelt de Luca die Information: der Junge ist das Kind armer Eltern... Er arbeitet nach fünf Jahren Schule bei Meister Errico, dem Schreiner, in der Werkstatt.
Abends übt er auf der Dachterrasse des Hauses mit seinem Bumerang. Eines Tages, wenn der Junge stark genug geworden ist, wird er den Bumerang fliegen lassen. "Das ist ein Flügel aus Holz."

Mittwoch, 1. April 2015

Donna Tartt: Der Distelfink

copyright Cornelia Conrad
Hier ist das richtige Buch für alle, die über Ostern beim Lesen versinken möchten – es hat 1 000 Seiten! Leider ist es aber erst gebunden auf dem Markt...

Donna Tartt, vielen durch ihre "Geheime Geschichte" bestens in Erinnerung, erzählt in ihrem neuen Buch eine Geschichte, die mich sofort fesselte: Theo, 13, flüchtet mit seiner Mutter vor dem Regen in New York ins Museum. Seine Mutter ist eine große Kunstliebhaberin, und obwohl sie kein Geld hat (der Ehemann, ein Hallodri, ist abgehauen und hat einen Berg Schulden hinterlassen), ist sie Dauergast im Museum. Vor allem das Bild "Der Distelfink" hat es ihr angetan.

Plötzlich gibt es eine unglaubliche Detonation. Theo gelingt es, sich aus einem Trümmerberg zu befreien und auf die Straße zu retten. Den "Distelfink", der am Boden lag, nimmt Theo einfach mit.