Unter Büchern

Unter Büchern

Donnerstag, 28. Mai 2015

Dörte Hansen: Altes Land


Copyright: Cornelia Conrad
Ich war sehr skeptisch. Ein Buch, das so gelobt wird, das mir bei Wittwer in Stuttgart wärmstens
empfohlen worden war – es könnte ein Reinfall sein.
So wie Stephan Thomes "Grenzgang", den ich sterbenslangweilig und grottenschlecht fand.
 ABER: ICH BIN HINGERISSEN! So ein wunderbar komponierter, stimmiger Roman! Und die fast neidisch machende Sprache, Bilder von lyrischer Originalität ("Die Wolken zogen ostwärts, als hätten sie Termine")...
Worum es geht?
 Hildegard von Kamcke, ostpreußischer Landadel, strandet am Ende des Kriegs mit Tochter Vera im Alten Land, dem Obstbaugebiet südlich von Hamburg. Bei einer harten Frau, Ida, der die "hergelaufenen Polacken" zuwider sind. Hildegard ist zäh, läßt sich nicht unterkriegen, heiratet den Sohn von Ida. Irgendwann haut sie ab, verläßt ihre Tochter Vera, ihren Mann, den Kriegskrüppel mit dem lahmen Bein und den Albträumen, und zieht mit einem "Bessergestellten"in die Zivilisation Hamburgs, und kriegt noch ein Kind. Marlene.
Jetzt ist Vera alt. Lebt einsam in dem heruntergekommenen riesigen Haus.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte

Copyright: Cornelia Conrad
Die Lektüre dieses hinterlistigen Buchs hat Langzeitwirkung.
"Wie oft erzählen wir unsere eigene Lebensgeschichte? Wie oft rücken wir sie zurecht, schmücken sie aus, nehmen verstohlene Schnitte vor? Und je länger das Leben andauert, desto weniger Menschen gibt es, die unsere Darstellung in Frage stellen, uns daran erinnern können, daß unser Leben nicht unser Leben ist, sondern nur die Geschichte, die wir über unser Leben erzählt haben."

Der Roman ist die Geschichte eines Selbstbetrugs. Tony, der "Held", erlebt sich als tough, er macht keine Fehler, eigentlich ist alles in seinem Leben o.k. Und wir gehen ihm erst mal ganz schön auf den Leim.
"Geschichte ist die Summe der Lügen der Sieger", antwortet er seinem Lehrer auf dessen Frage, was Geschichte sei.
Und Tony lebt genau das: die Summe seiner Lebenslügen. Nur, daß er kein Sieger ist für uns als Leser. Für sich selbst natürlich schon.
Im ersten Teil des Romans erzählt uns Tony von der Schülerfreundschaft mit drei Klassenkameraden. Einer von ihnen ist Adrian, ein kluger und analytischer Intellektueller, reif und besonnen, zu ihm fühlt sich Tony besonders hingezogen.
Als der oberflächliche Tony, der zu keinen Gefühlen fähig ist, seine Freundin Veronica an Adrian verliert (die Beziehung war eh am Ende!), ist er tief gekränkt und schreibt einen groben, verletzenden Brief voller Schmähungen und Verwünschungen an das junge Paar.

Und als er von einer längeren Reise heimkommt, erfährt er, daß Adrian sich das Leben genommen hat.